Stellungnahme des Stadtschüler*Innenrates vom 6. Mai 2020

 

Als Stadtschüler*Innenrat Kassel verfolgen wir aufmerksam die aktuellen Entwicklungen hinsichtlich der Wiedereröffnungen der Schulen im Stadtgebiet. Zudem tauschen wir uns über unsere Beobachtungen bezüglich des Homeschoolings aus. Dabei werden einige Problematiken schnell deutlich.

 

Homeschooling

 

Alle Schulen versuchen im Moment ihren Unterrichtsstoff über Internetplattformen an die Schülerinnen und Schüler weiterzuleiten und den Unterricht digital zu gestalten. Dafür gibt es jedoch keine einheitlichen Regelungen, wodurch Lehrkräfte die unterschiedlichsten Plattformen verwenden, was einerseits für Chaos bei der Materialbeschaffung sorgt und datenschutztechnisch höchst bedenklich ist. Andererseits reichen die Rechenkapazitäten für die vom Land Hessen vorgesehenen Plattformen, wie etwa Moodle, nicht aus, um den aktuellen Andrang zu stemmen.

 

Dazu kommt noch, dass nicht jede/r Schüler/in einen dauerhaften Zugang zum Internet hat und eventuell gar nicht auf Online Unterrichtsinhalte zugreifen kann. Es gibt zwar erste Ansätze solchen Betroffenen Leihgeräte zur Verfügung zu stellen, eine Chancengleichheit besteht jedoch noch lange nicht. Die Chancenungleichheit wird nun noch mehr verstärkt, da Schüler/innen in verschiedenen Haushalten verschiedene Rückzugsmöglichkeiten zum Lernen und verschiedene technische Voraussetzungen haben, um am Online-Unterricht teilzunehmen.

 

Hinzu kommt die miserable bauliche Situation vieler Schulen und deren technische Ausstattung. Wären die Schulen hier besser ausgestattet, könnten Geräte für das Homeschooling verliehen werden und die ungleiche Situation der Schülerinnen und Schüler zuhause abgefedert werden. Eine gute Internetverbindung ist essentiell für das Homeschooling, in ländlichen Regionen jedoch selten vorhanden.

 

Die Möglichkeiten über Videokonferenzen am Unterricht teilzunehmen und dadurch eine gute Mitarbeit zu zeigen sind deutlich geringer als zuvor. Oft fehlen einheitliche und klare Regelungen zu Bewertung und die Schülerinnen und Schüler sind der Willkür ihrer Lehrkräfte ausgesetzt. Daher sind viele Schülerinnen und Schüler über die Notengebung in diesem Schuljahr verunsichert, da es zum Teil keine schriftlichen Leistungsnachweise gibt und auch eine mündliche Bewertung über Homeschooling schwer zu gewährleisten ist.

 

Von vielen Stellen fehlt hier noch die entsprechende Unterstützung der Lehrkräfte beim Homeschooling. Zu oft werden aktuell leider nur Aufgaben ausgeteilt, ohne dass versucht wird, einen richtigen Unterricht nach besten Möglichkeiten zu ersetzen. Dies liegt jedoch keinesfalls zwangsläufig an den Lehrkräften, da auch diese sich an die neue Situation gewöhnen müssen und die ohnehin schon zu großen Klassen beschulen müssen. Zudem kommt der magere IT-Support an Schulen und die in den letzten Jahren kleingesparten Fortbildungsmöglichkeiten.

 

Chancenungleichheit

 

All dies verstärkt die ohnehin schon bestehende Chancenungleichheit des deutschen Bildungssystems in denen es Kinder aus schlechten sozialen oder ökonomischen Hintergründen zunehmend schwieriger haben, wie die aktuellste PISA-Studie belegt. Neben der ungleichen Austattung an elektronischen Geräten kommt jetzt auch noch die ungleiche Unterstützungleistung der Eltern verstärkt zum Tragen. Wer aus einer Akademikerfamilie kommt hat deutlich bessere Chancen im Homeschooling hinterherzukommen als beispielsweise ein Kind aus einer migrantischen Familie.

 

Am schlimmsten trifft dieser Umstand die Grundschulen, da Grundschülerinnen und Grundschüler oft noch nicht in der Lage sind, selbstständig zu lernen und somit keine Möglichkeit haben, Unterrichtsinhalte ohne die Unterstützung ihrer Eltern oder der Lehrkräfte zu erarbeiten. Auch das sogenannte „social distancing“ macht Grunschülerinnen und Grundschülern besonders zu schaffen, da die Schule für sie der oft wichtigste Ort sozialer Kontakte ist.

 

Abschlussprüfungen 2021

 

Für die älteren Jahrgänge, die 2021 ihren Abschluss machen wollen, ist die Situation ebenso verheerend. Unter den momentanen Bedingungen ist es nicht möglich regulären Unterricht durchzuführen und alle erforderten Inhalte an die Schülerinnen und Schüler zu vermitteln. Ein Nachholen der durch die Pandemie verpassten Inhalte im 2. Halbjahr des Schuljahres 2019/20 und eventuell auch dem 1. HJ des SJ 2020/21 ist nicht realistisch und eine Verkürzung der Ferienzeit nicht fair.

 

Hygienezustand der Schulgebäude

 

Der oben bereits erwähnte bauliche Zustand wirkt sich natürlich auch auf die Einhaltung der zurecht vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen aus. Aufgrund der schon vor der Pandemie zu kleinen Räumlichkeiten müssen Klassen aufgeteilt werden und der Unterricht kann nur schleppend realisiert werden. Zudem kommen die katastrophalen Zustände der Sanitäranlagen einiger Schulen, bei denen es schwer möglich ist, die Auflagen einzuhalten.

 

Mitsprache von Schülerinnen und Schülern

 

Auch wenn aktuell eine Verordnung oder schulinterne Regelung nach der anderen beschlossen wird, so hat die Schüler*Innenvertretung in den seltensten Fällen ein Mitspracherecht. Regelungen über die Köpfe der Schülerinnen und Schüler hinweg zu treffen, widerspricht ihrem Antrags- und Stimmrecht in der Schulkonferenz. Unterfinanzierung des Bildungssystems Der schlechte bauliche und hygienische Zustand der Gebäude, die fehlenden Lehrkräfte für eine individuelle Förderung, die lückenhafte digitale Austattung der Schulen, sowie der verstärkte Leistungsdruck während der Pandemie. All das sind Anzeichen dafür, dass das Bildungssystem, sich nicht erst seit der Pandemie in einer Krise befindet. Es ist ein über Jahre kaputtgespartes Bildungssystem, welches darauf ausgelegt wurde möglichst schnell und billig Menschen auf den Arbeitsmarkt zu bringen, statt sie zu kritischen, eigenständigen Menschen zu erziehen.

 

Daher fordern wir vom Kultusministerium Hessen und dem Schulträger, der Stadt Kassel:

 

• Klare und faire Regelungen der Bewertung während Corona erbrachter Leistungen

 

• Den Einbezug der Schüler*Innenvertretung in die Findung solcher Regelungen

 

• Die Benutzung von datenschutzkonformen und einheitlichen Portalen beim Homeschooling

 

• Eine bessere technische Ausstattung von Schulen und Schülerinnen und Schüler

 

• Chancenungleichheit bekämpfen, Bildungsgerechtigkeit schaffen

 

• Eine bestmögliche Unterstützung durch Lehrkräfte beim Homeschooling

 

• Zusätzliche Unterstützungsangebote für Grundschülerinnen und -schüler beim Homeschooling

 

• Eine Anpassung der relevanten Themen für die Abschlussprüfungen 2021

 

• Sanierung der Schulen und allen voran der Sanitäranlagen, sowie eine Bereitstellung von Mund-Nasen-Schutz für alle Schülerinnen Schüler, sowie Lehrkräfte

 

 

Wir fordern alle Schülerinnen und Schüler auf, die aktuellen Umstände nicht einfach hinzunehmen, sie zu thematisieren und in der Schülervertretung gegen sie aktiv zu werden!